ERBEUTETE TIROLER FELDSCHLANGE
Objektdaten
Inv.-Nr.: 00362
Entstehungszeitraum: um 1560
Entstehungsort: Hötting / Innsbruck
Hersteller: Gregor Löffler (um 1490 - 1565), Glocken- und Büchsengießer
Maße: Länge 164 cm, Kaliber 4 cm
Material/Technik: Bronze, gegossen
Als „Feldschlange“ wurde im späten Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert ein bestimmter Kanonentyp bezeichnet. Die kleinsten dieser Kanonen wurden auch Falkonetts genannt, sie hatten ein Kaliber von etwa 5 cm. Als Munition verwendete man Eisenkugeln. Die Kanone wurde auf eine zweitädrige Lafette montiert und konnte so auch im Pferdezug fortbewegt werden.
Das Falkonett stammt aus der Gießerei von Gregor Löffler (um 1490 - 1565) in Hötting / Innsbruck. Es hat eine schlanke, konische Form mit verstärktem Mündungsstück, Delphinhenkeln und das Wappen Melchior Fügers am Hinterstück. Am Mittelstück befindet sich die Inschrift: "Melchior Fiüger von Offingen Rö: May: Ratt und Obrisster Velt und Hauß Zeuigmaister der oberer sterreisgen Lande". Melchior Füger von Offringen war von 1554 bis 1565 Feldzeugmeister in Innsbruck. Zu Zeiten der Landsknecht-Heere war der Zeugmeister der Oberbefehlshaber der Artillerie.
Am 17. Oktober 1809, rund 250 Jahre nach dessen Fertigung, war die Feldschlange nach wie vor in militärischer Verwendung. Im Gefecht bei Melleck zwischen den aufständischen Tirolern und den bayerischen Soldaten unterlagen die Tiroler. Dem Anführer der Tiroler, Josef Speckbacher, gelang die Flucht nach Wien, während sein 11-jähriger Sohn Anderl mit etwa 300 weiteren Tirolern in Gefangenschaft geriet. Die Schlacht forderte ca. 50 Verletzte und ebenso viele Tote. Die bayerischen Soldaten erbeuteten einen Munitionswagen, neun Pferde, rund 100 Stück Schlachtvieh und einen großen Vorrat an Brot, Bier und Branntwein. Auch das von den Tirolern zurückgelassene Falkonett fiel den Tirolern in die Hände. Der bayerische König Max I. schenkte es den Reichenhaller Gebirgsschützen als Dank für ihre Verdienste beim Kampf gegen die Tiroler. Die Gebirgsschützen fertigten eine passende Lafette an und setzten die Kanone noch bis ins 20. Jahrhundert für Salutschüsse ein.
Quellen:
BÜHLER, Adolf: Führer durch Bad Reichenhall und Umgebung. Bad Reichenhall 1927.
LANG, Johannes: Geschichte von Bad Reichenhall, Neustadt/Aisch 2009.
STOCKHAMMER, G.: Eine alte Tiroler Kanone in Bad Reichenhall. In: Monatsblatt des Altertums Vereins zu Wien. Nr. 3, 31. Jahrgang, März 1914.
TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM (Hrsg.): Ruhm und Sinnlichkeit. Innsbrucker Bronzeguss 1500-1650 von Kaiser Maximilian I. bis Erzherzog Ferdinand Karl. Innsbruck 1996.
TRAXLER, Stefan; Reinecker, Eva: insMuseum.com. 131 Objekte - 131 Museen. Linz 2012.